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Jede Übersetzung bringt ihre eigenen Herausforderungen mit sich. Spezielle Hürden gibt es, wenn Ausgangs- und Zielsprache sich in Sprachstruktur, kulturellem Verbreitungsgebiet und soziolinguistischen Bedingungen stark unterscheiden. Ein Beispiel dafür ist das Übersetzen aus dem Arabischen ins Deutsche und umgekehrt. Ein Überblick über typische Herausforderungen

Mehrdeutigkeit in arabischen Texten

Die arabische Sprache weist einen besonders hohen Grad an Mehrdeutigkeit auf. Viele Wörter haben mindestens zwei oder drei Bedeutungen, die sich deutlich voneinander unterscheiden und in manchen Fällen das genaue Gegenteil ausdrücken können. Ein Beispiel ist das arabische Wort „Ain“ (عين). Dieses kann im normalsprachlichen Gebrauch „Auge“, „Quelle“ oder „Loch“ bedeuten oder aber eine hochstehende Persönlichkeit bezeichnen. In der Rechtssprache meint es „Sachwert“ oder „bares Geld“.

Weiter kompliziert wird die Situation durch die Eigenheiten der arabischen Schrift, bei der viele Vokale nicht geschrieben werden und durch eine relativ freie Wortstellung in der arabischen Syntax. Aus diesen Gründen kommt es bei der Übersetzung arabischer Texte häufig zu Ambiguitäten und mehreren möglichen Interpretations- und damit Übersetzungsmöglichkeiten. Professionelle Fachübersetzerinnen und Fachübersetzer weisen beispielsweise in Fußnoten auf diese Mehrdeutigkeiten hin.

Stilistische Unterschiede

Arabische Texte neigen zu langen Sätzen, inhaltlichen Wiederholungen und Formulierungen, die bei einer wortwörtlichen Übersetzung ins Deutsche merkwürdig klingen und den Lesefluss erschweren können. Bei der Übersetzung arabischer Medientexte für eine deutsche Leserschaft sind daher oft nach einer Rohübersetzung mehrere Überarbeitungsschritte notwendig, bei denen Redundanzen entfernt, Sätze umgestellt und eingängige deutsche Formulierung gefunden werden müssen.

Unterschiedliche Stilnormen gibt es aber beispielsweise auch im Geschäftsverkehr. Zwar lassen sich hier inzwischen auch internationale Angleichungen beobachten. Nichtsdestotrotz enthalten beispielsweise arabische Geschäftsbriefe nach wie vor deutlich mehr Text als ihre deutschen Pendants, da sie oft zusätzliche Gruß- und Höflichkeitsformeln enthalten, die im Deutschen weniger üblich sind.

 Kulturelle Einflüsse

Aber auch beim Übersetzen ins Arabische gibt es einige Aspekte zu beachten. Oft spielen dabei unterschiedliche kulturelle Prägungen eine Rolle, die sich auch sprachlich niederschlagen. Ein Beispiel dafür sind die Bezeichnungen für Verwandte im Arabischen, die deutlich ausdifferenzierter sind als im Deutschen. So gibt es etwa jeweils separate Bezeichnungen für die Onkel und Tanten väterlicherseits und mütterlicherseits. Oder man kann an der arabischen Bezeichnung eines Neffen oder einer Nichte erkennen, ob sie die Kinder des Bruders oder der Schwester sind. Diese Bedeutungsunterschiede sind bei Übersetzungen unbedingt zu beachten, da es – zum Beispiel bei der Übersetzung eines Testaments – einen großen Unterschied machen kann, welcher Verwandte genau gemeint ist. Hier muss der Übersetzer entweder recherchieren, oder aber alle theoretisch möglichen Varianten im Arabischen angeben.

Dr. Daniel Falk ist promovierter Arabist, Konferenzdolmetscher und Fachübersetzer für die arabische Sprache.