Übersetzen oder nicht – das ist hier die Frage!
31.05.2016

Übersetzen oder nicht übersetzen – das ist hier die Frage.
Warum Marius von Mayenburg davon überzeugt ist, dass wir auch heute noch neue Shakespeare-Übersetzungen brauchen. Von Mayenburg, 1972 in München geboren, studierte mittelalterliche Literatur und lebt seit 1992 in Berlin. Dort studierte er Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. 1999 kam er die Schaubühne und arbeitet dort als Autor, Regisseur und Übersetzer. Unter anderem übersetzte er die Shakespeare-Stücke „Hamlet“, Viel Lärm um Nichts“ und „Othello“.
Shakespeare klinge, so von Mayenburg, durch die – oft auch kontrovers diskutierten – Übersetzungen aus der Zeit der deutschen Romantik für viele Leser wie ein deutscher Dichter der Romantik. Dieser Umstand habe seiner Popularität einerseits sicherlich nicht geschadet, allerdings haben diese Interpretationen mit den aus dem England der Renaissance stammenden Texten nicht unbedingt viel gemeinsam.
Viele Feinheiten und Inhalte kristallisieren sich für den Leser erst nach mehrmaliger, gründlicher Lektüre heraus. Im Rahmen eines Theaterbesuchs gehen dabei für von Mayenburg zu viele Aussagen und Details unter. Er zielt mit seinen Neuübersetzungen darauf ab, die Inhalte der Shakespeare’schen Werke den Zuhörern und Zuschauern plastischer und direkter zu vermitteln: „Mir geht es im Gegenteil um das Wiederbeleben einer Theatererfahrung, die ein Zuschauer um 1600 im Globe-Theater in London beim Sehen eines Shakespeare-Stückes hatte: das unmittelbare Begreifen der manchmal komplizierten Gedanken der Figuren und die daraus resultierende Nähe zu ihnen.“
Dass das Original bei jeder Übersetzung etwas verliere, sei ihm klar. Das sei auf Grund sprachgeschichtlicher Entwicklung, unterschiedlicher Sprachstruktur, historischer Hintergründe oder auch veränderter Erfahrungs- und Bildungsvoraussetzungen der Zuschauer unvermeidbar. Auf Grund der verschiedenen Sprachstrukturen im Englischen und Deutschen verzichtet von Mayenburg vorwiegend auf die Versform zu dem Zwecke, eine verständlichere Übersetzung von Shakespeare zu liefern und den großen englischen Dichter dem zeitgenössischen Publikum wieder inhaltlich näher zu bringen.
Eine schöne Gegenüberstellung einer bisherigen Übersetzung von Schlegel aus Hamlet und der neuen von Marius von Mayenburg:
„Denn wer ertrüg der Zeiten Spott und Geißel,/ Des Mächt'gen Druck, des Stolzen Mißhandlungen,/ Verschmähter Liebe Pein, des Rechtes Aufschub,/ Den Übermut der Ämter und die Schmach,/ Die Unwert schweigendem Verdienst erweist,/ Wenn er sich selbst in Ruhstand setzen könnte/ Mit einer Nadel bloß?“
vs.
„Wer würde denn sonst die Peitschenhiebe und Beleidigungen der Welt hinnehmen, das Unrecht der Unterdrücker, die Unverschämtheit der arroganten Menschen, die stechenden Schmerzen der unerwiderten Liebe, das Zuspätkommen der Justiz, die Überheblichkeit der Bürokratie, und wie mühsam erbrachte Leistung von Leuten, die es nicht wert sind, mit Füßen getreten wird, wenn man einfach ein Messer nehmen und mit sich selbst abrechnen könnte?“
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